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AutorenbildRolf Dietrich

Geschichten zum Vorlesen für Demenzkranke - Kloster am See


Eine Geschichte um Vertrauen, Sicherheit und Kraft entstehen zu lassen von Rolf Dietrich


Dies ist eine Geschichte von Menschen, auf einem Weg durch einen wunderbaren Wald hin zu einem Kloster. Die Wörter und Satzteile, die betont werden sollen, sind im Text kursiv und fett dargestellt. Insgesamt sollte die Geschichte sehr ruhig und langsam vorgetragen werden. Die Punkte zeigen an, wann und wie eine Pause gemacht werden sollte.


Am frühen Morgen machen wir uns auf den Weg zu dem Kloster, wo man immer sehr viel Ruhe... und gute Gedanken finden kann. Und während wir unsere Reise beginnen, kommt uns die Idee, dass wir dieses Mal die Bäume und Pflanzen auf dem Weg genauer betrachten werden. … Es ist die Zeit, da die Gräser wieder kräftiger werden und in einem wunderschönen leuchtenden Grün am Wegesrand ihre Halme zur Sonne richten. Das fühlt sich richtig wohlig an. Dabei lauschen wir vermehrt den Stimmen der Tiere. Die Vögel zwitschern so völlig ohne Zwang vor sich hin. Das intensive Balzen und Pfeifen ist an allen Ecken zu hören. ... Immer wieder, wie in jedem Jahr ist das jetzt die Zeit, wo alles erwacht und bereit ist, sich den Aufgaben des Lebens zu stellen. ……

Der Weg ist angenehm. Wie ein kleiner feiner Teppich fühlt sich das Gras unter den Füßen an. Wir machen uns vertraut mit der Umgebung und erkennen den Rand des Waldes. Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, dass er uns wie durch ein Tor einlädt, in ihn hinein zu wandern. ......


Die Sonne scheint schon kräftig vom Himmel herab. Während wir in den Wald eintreten, breitet sich ein wohliges, warmes Gefühl in uns aus. … Wir wundern uns, denn irgendwie wirkt alles so vertraut, obwohl wir so noch nie hier entlang gegangen sind. ... Die Schmetterlinge in leuchtend gelben und weißen Farben vollführen einen wilden Tanz an diesem Eingang des Waldes, so als ob sie uns begrüßen wollen.


Durch die kleinen grünen Blätter der Bäume schlängelt sich die Sonne bis auf den Boden und spiegelt sich in den noch etwas feuchten Blättern, die teilweise den Weg bedecken. Ein harmonisches Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit umgibt uns. ... Langsam aber stetig kommen wir voran und entdecken die vielen unterschiedlichen Pflanzen und Bäume, die uns dieser Mischwald bietet. In einiger Entfernung glitzert etwas Silbriges durch die Äste. Ist dies bereits der See, an dem das Kloster liegt? ... Vielleicht ist es aber auch nur die Hoffnung auf die Ruhe, die wir beim Anblick des Sees erwarten. ……


Überall raschelt es in den Gebüschen und Sträuchern. Die Natur lebt wieder neu auf. Die Tiere des Waldes spüren, dass ein neuer Abschnitt für sie angebrochen ist. Dabei bewegen sie sich so, dass man sie überall wahrnehmen kann. All diese Geräusche kennen wir und geben uns ein Gefühl der Vertrautheit. Ganz ruhig und gelassen können wir unseren etwas hügeligen Weg fortsetzen.


Vor uns breitet sich jetzt eine wunderschöne Lichtung aus. Das leuchtende Grün des saftigen Grases und schöne braune Farbtupfer von gefällten Bäumen bilden ein imposantes Bild. Wir werden förmlich eingeladen, hier für einen kurzen Moment zu rasten. … Am Rande der Lichtung lädt uns eine Bank zum Sitzen ein. Von hieraus haben wir einen herrlichen Blick auf diesen Platz. Es herrscht ein reges Treiben, doch in uns klingt Ruhe, die wohltuend und sicher wirkt. ......


Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen, um all das zu genießen, was sich uns hier bietet.

(An dieser Stelle kann die Geschichte auch unterbrochen werden)


Fortsetzung


Nach dieser schönen Rast setzten wir unseren Weg fort. Nach einigen Hundert Metern durch einen schmalen Pfad, gesäumt von breit aufgefächerten Farngräsern, erreichen wir einen Waldesrand. Vor uns eröffnet sich ein erster Blick auf den ruhenden See. … Ganz still wird es, wenn der Blick über den See schweift. …


Einige Ruderboote sind, vereinzelt von hier oben wahrzunehmen. … Leicht kräuselt sich das Wasser bei den Bewegungen der Ruderschläge. Am linken Rand des Sees sehen wir einen Fischer, der seine Angel ausgeworfen hat. An anderen Stellen jagen Enten hintereinander her und durchbrechen mit ihrem Geschnatter die Stille des Momentes. ……

Bei dem Anblick auf den See spüren wir eine starke Kraft, die aus unserem Inneren nach oben steigt. … Die gleiche Kraft, die von diesem See ausgestrahlt wird. Eine Kraft, die uns Vertrauen schenkt, in uns und unsere Zukunft. … Wir fühlen uns getragen und geschützt. Wir lassen dieses Gefühl ganz tief in uns wirken. ......


(Auch an dieser Stelle könnte eine Unterbrechung passend sein)


Fortsetzung


Voll Freude, beschreiten wir den Weg hinunter zum Ufer. Beim Näherkommen entdecken wir, die ersten Halme des Schilfgrases am Uferrand, die schon die Wasseroberfläche durchbrochen haben. Noch ganz zierlich und kaum zu erkennen, wird hier bald ein idealer Lebensraum für die Wasservögel entstehen. … Die Kraft des Sees scheint hier noch intensiver zu wirken. … Sie gibt uns Sicherheit und gleichzeitig durchdringt uns ein wohltuendes Gefühl von Geborgenheit. …..


Nun wenden wir uns dem Weg zu, der uns am See entlang, in Richtung Kloster führt. In der Ferne können wir diesen besinnlichen Ort der Stille schon erkennen. Die hohen Türme der Basilika leuchten im Glanz der Sonne. Der leicht gelbliche, rötliche Ton der Steine lässt einen Farbimpuls voll von Harmonie entstehen


Immer wieder zieht uns der See mit seiner Ruhe und Kraft in seinen Bann. Vorbei an grünen Wiesen zeichnen sich die Konturen des Klosters immer deutlicher ab. Die riesige, aber nicht zu hohe Mauer, erscheint wie ein Schutzwall für die Menschen, die sich dort im Inneren aufhalten. ......


Ein Stück gehen wir an dieser Mauer entlang und genießen dabei noch einmal einen Blick auf den See. Von hier aus wirkt er noch majestätischer und kraftvoller. … Durch die Toreinfahrt, vorbei an dem Hotel, schlendern wir jetzt in den Innenbereich zu den Häusern der Klostergemeinschaft. Alles wirkt neu und doch gleichzeitig vertraut. ......


Die mehreren Hundert Jahre alten Mauern geben uns ein starkes Gefühl von Sicherheit. Je mehr wir uns der Basilika nähern, desto stärker wird dieses Gefühl. … Ein wunderbarer gewölbter Gang führt uns zur großen Eingangspforte an der rechten Seite der Kirche. Die Tür, die sich nur langsam und schwer öffnet, gibt den Blick in das Innere frei. ......


Wir erkennen die schlichte und doch imposante Gestaltung der Basilika und finden uns mitten in einem Raum, der Kraft und Vertrauen schenkt. ... An unserem Ziel angelangt, genießen wir die Atmosphäre von Ruhe und Kraft, Vertrauen und Sicherheit. … Wir lassen all diese Bilder und Gefühle einfach in uns zu und genießen die Stille. ……




 

Diese Blogbeiträge bilden eine ganze Reihe von Geschichten, die darauf abzielen, durch Erzählungen einen Zugang zum inneren Erleben von Demenzerkrankten zu ermöglichen. Das Hauptziel ist es, ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse und Kompetenzen wiederzuentdecken und für sie hilfreiche Optionen zu entwickeln.


In dieser Reihe nehmen die Demenzerkrankten eine besondere Rolle als Entdecker ihrer eigenen Ressourcen ein. Als Unterstützer und Helfer bieten wir immer wieder neue Geschichten an, um ihnen Zugänge zu eröffnen. Diese unkonventionelle Herangehensweise kann eine gravierende Veränderung der Situation bewirken und zeigt dabei ein hohes Maß an Wertschätzung für die Würde der betroffenen Personen.


Meine eigene Erfahrung mit Demenzerkrankten wurde vor vielen Jahren geprägt, als meine Patentante 1994 an Krebs erkrankte und Anzeichen von Demenz zeigte. Während meiner Besuche erzählte sie mir Geschichten aus meiner Kindheit und von den gemeinsamen Erlebnissen. In diesen Momenten wirkte sie klar und fröhlich.


Im Laufe der Zeit verschlechterte sich jedoch ihr Zustand sowohl körperlich als auch geistig. Ihre Tochter, die sich um sie kümmerte, tat ihr Bestes, um sie zu unterstützen.


Die von uns gemeinsam festgelegten Rollennamen "kleiner Zwerg" für mich und "Schneewittchen" für sie begleiteten uns auch in den fortgeschrittenen Phasen der Demenz. Selbst während ihrer letzten Lebensphase erkannte sie mich in dieser Rolle. Andere Personen verloren für sie immer mehr an Bedeutung. Doch die Geschichten boten bis zum Schluss die Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten.


In dieser Reihe von Blogbeiträgen möchte ich Ihnen als Geschichtenerzähler die Fähigkeit wünschen, wunderbare Zugänge und Kontakte zu den von Ihnen ausgewählten Menschen zu schaffen.


Oktober 2014 Rolf Dietrich





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